Gastredaktion Blatt-Gold der Gold-Kraemer-Stiftung

Hier schreiben 
die Journalisten und Journalistinnen 
der Redaktion Blatt-Gold! 

Blatt-Gold, die Schreibwerkstatt der Gold-Kraemer-Stiftung, kann zurzeit nicht wie gewohnt stattfinden. Die Autoren und Autorinnen mit Lernbehinderung machen trotzdem oder gerade wegen der Corona-Krise weiter!

Auch für sie hat sich der Alltag im Wohnheim und im ambulant betreuten Wohnen durch die Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus, das die Krankheit Covid-19 auslöst, sehr verändert. Die Werkstätten wurden geschlossen, Besuche der Eltern an den Wochenenden nicht mehr möglich. Auch ihre Freunde in anderen Wohngruppen können sie nicht mehr treffen. Hier dokumentieren sie ihre Erlebnisse und Gedanken dieser immer noch surreal anmutenden Wirklichkeit. 

Sie schicken jetzt ihre Sprachnachrichten, telefonieren oder machen Video-Anrufe über ihr Handy und diktieren das, was sie bewegt, ihre Sorgen, Ängste und wie sie sich ablenken: Da die meisten kaum oder gar nicht lesen und schreiben können, schreibt es Anja Schimanke, Journalistin und Leiterin der Schreibwerkstatt, für sie auf.  

Ich danke für die Zusammenarbeit! 
Noch mehr tolle Texte von Blatt-Gold finden Sie unter:
Juni 2020

Jochen Rodenkirchen, 56, Frechen


Juni 2020
Ich war heute das erste Mal draußen. Nach 8 Wochen, schon fast 9 Wochen. Die ganze Zeit brav hier gewesen. Ich war auch nicht im Garten. Küche, Wohnzimmer und sonst immer im meinem Zimmer. Das war schrecklich! War mir aber egal. Hauptsache ich habe mich an die Regel gehalten. Ich finde die Maske auch scheiße, aber was soll man machen. Hauptsache gesund bleiben – darum geht es und nichts anderes. 
Ich war schon im Zoo, wo ich noch klein war. Und heute mit der Gruppe, zu 6. waren wir. Die haben jetzt 160. Jubiläum. Die bauen ein Tigerkäfig und die bauen das Affenhaus um so wie früher. Das Originalaffenhaus. Hippos haben wir nicht gesehen. Da durfte man nicht rein wegen der Krise. Die Elefanten haben wir gesehen. Die find ich am besten. Ich bin auch so ein Dickkopf und feinfühlig. 
Ich habe Chili con Carne gegessen, eine große Portion für 6 Euro. Ich bin froh, dass es den Zoo überhaupt noch gibt. Weil der Hennes, der 9. da ist, der Geißbock vom 1. FC Köln. Der darf gerade nicht ins Stadion wegen Corona. Wenn Geisterspiele sind, darf er nicht. Wenn Leute da sind, darf er auch wieder. Manche Zoos gehen ja auch kaputt. Köln ohne Zoo? Das ist doch nichts, oder?   

Christiane Becker, 56, Frechen


Juni 2020
Ich wünsche, dass es bald wieder weg ist und alles wieder normal ist. Ich möchte auch wieder zum Fit and Fun gehen, zum Schwimmen, Reiten, Schreibwerkstatt und mit meiner Betreuerin Christin Anders zum Köln-Weiden fahren. 

Dort möchte ich mir im Saturn noch ein Handy kaufen und mit der quertour nach Calaradjada (Spanien) fliegen, im Meer schwimmen gehen und die Sonne genießen. 

Als Kind wollte ich immer Sonne. Da wurde mir gesagt: Wenn es nicht regnet, dann vertrocknet alles. Ich mag heute auch lieber Sonne

Yvonne Freiberg, 26, Frechen


Juni 2020
Mir geht’s sehr gut. Weil ich jetzt Stricken lerne; von meiner Betreuerin. Ein Schal. Damit habe ich gestern angefangen. Bis halb 10 abends von 10 Uhr morgens. Beim Stricken bin ich ehrgeizig. Heute mache ich weiter. Stricken ist für mich am Anfang schwer gewesen, weil damit den Stricknadeln machen muss. Ich brauche sehr lange, weil ich versuche keine Maschen zu verlieren. Das geht komplett alles ab. Den krieg ich bis vor Weihnachten hin vielleicht. Mein Freund mach ich auch ein Schal. Rot-weiß, in Kölle-Farben, weil wir Köln-Fans sind. Am Montag gucke ich nochmal 1. FC Kölle gegen Leipzig. Um halb 9. Da gewinnt Köln, weil Leipzig nicht so ein guter Verein ist.

Pascal Stein, 38, Frechen


Juni 2020
Mir geht’s ganz gut. Ich bin am Chillen und genieße das Bier. Das ist eine besondere Sache und nur, wenn ich Bock hab. 


Mai 2020  

Norbert Fuchs, 56, Frechen


Mir geht’s gut. Musik hören, Fernsehen gucken. Schreiben. Ich darf ja nicht rausgehen. Du weißt doch… das wird in den Nachrichten gezeigt. Mit dem Virum oder wie das heißt. Nachrichten gesagt zuhaus bleiben. Was soll ich denn machen? Ich kann nichts machen. Traurig, dass ich nicht rausgeht. Werkstatt hat zu schon lange. Das haben die in den Nachrichten nicht richtig gesagt. 
Alles zu – das ganze Deutschland! Aber wie lange noch? Österreich, Italien – alles abgesagt. Wie lange noch? Abstand halten! Dürfen wir uns nicht in die Nähe kommen. Angst vor – ich komme ins Grab rein, da hab ich Angst vor. Wie meine Eltern, meine Großeltern, meine Großtante – alle tot. 15. April – ich habe Geburtstag, 56 geworden. Bitte nicht ins Grab rein!

Susanne Sasse, 33, Frechen


Corona – das sind Viren. Das ist lebensbedrohlich. 
Viele Menschen sind davon gestorben haben die im Radio gesagt. 
Die Menschen dürfen jetzt nicht raus. Alle Konzerte fallen aus. 
Der Lese-Club ist ausgefallen. 
Nicht anfassen. Keine Hände geben.  
Wir müssen in der Wohnung bleiben.
Wir dürfen nicht auf die Straße gehen.
Wir müssen zu Hause bleiben.
Ich finde doof, dass wir nicht raus dürfen. 
Ich war im Garten gewesen, hier im Wohnheim. Draußen ein bisschen gucken, bin rauf und runter gegangen. Ich male jetzt. Und ich werde basteln. Ein Herz und Eier. Das mach ich seit ich hier bin. Wir haben jetzt Mundschutz bekommen vom Coroma-Gedöns. Mama näht noch eine noch. Mama darf ich nicht sehen. Es wird noch länger dauern mit Coroma. 

Ralf Fassbender, 47, Frechen


Die Werkstatt, in der ich arbeite, ist zu. Das Büro vom Betreuten Wohnen auch. Keine Schreibwerkstatt. Kein Spielenachmittag mehr. Ich bin jetzt bei meinen Eltern zu Hause. Ich wohne jetzt solange hier. Ich habe keine Probleme. Ich muss für ein Zeitvertreib sorgen. Das ist nicht so einfach. Ich habe angefangen ein Buch zu lesen. Das hat mir mein Neffe gegeben. Da sitze jetzt morgens nach dem Frühstück und lese bis ich keine Lust mehr habe. Es geht da um einen Jungen, der immer wieder in derselben Wohnung aufwacht. Schon 4x in derselben Wohnung aufgewacht. Der hat ein Mädchen getroffen, die ist eigentlich schon tot. Der macht jetzt Psycho, also dass man einschläft und forscht nach, was passiert ist. Das ist besser wie Videotext zu lesen. Und draußen sitzen ist besser. Ich war heute wieder im Garten, und gestern auch und habe meinen Eltern geholfen. Ich habe Unkraut weggemacht. Ich hatte Muskelkater davon. Die Welt vor Corona, die war schön. Die Welt nach Corona wird nicht mehr – nie wieder – dieselbe sein. 

Christiane Becker, 55, Frechen


Es ist schade, dass wir nicht aus dem Haus gehen dürfen wegen dem Virus. Ich mache jeden Tag Window Color, male, schreibe und gehe ein bisschen spazieren, damit es mir nicht so langweilig wird. Das macht mich traurig. Es ist auch sehr schade, dass der Reha-Betrieb wegen dem Virus geschlossen hat. Mir fehlt auch das Fit and Fun und das Schwimmen, die Schreibwerkstatt und das Reiten. Ich möchte gern vom 19. Mai bis 2. Juni mit der quertour nach Mallorca fliegen. Wäre schade, dass der Urlaub nicht stattfindet. Ich kann es nicht abwarten, bin gespannt, ob es klappt oder nicht und das macht mich sehr unruhig. Ich wünsche, dass der Virus nach Ostern weg ist. 

Isabel Schatton, 30, Frechen



Corona ist blöd. Sorgen? Nö! Frische Luft schnappen kann man machen. Shoppen nicht. Die haben alle zu. In die Sonne hinsetzen. Spazieren gehen geht schon, ist okay. Ich darf nicht hoch um 8 Uhr zum Jochen. Der ist mein Freund. Das ist richtig fies. Das geht nicht anders. Anrufen geht. Ich darf hier sein und raus. In die Sonne hinsetzen. Spazieren gehen geht schon, ist okay. Wir müssen Hände waschen und massieren – das müssen wir machen. Unten an der Tür ist ein Spender dran. Am Eingang. Wenn ich zurückkomme, dreckt Hände sauber machen, massieren. Und zwischen abends und morgens Fieber messen immer.

Jochen Rodenkirchen, 56, Frechen


Ich sitze hier schon 5 Wochen, allein im Wohnheim. Ich brauche Unterhaltung – ohne Unterhaltung geh ich kaputt. Wir dürfen rausgehen in den Garten und telefonieren, aber telefonieren ersetzt das nicht. Man kann sich nicht sehen. Und die Liebe leidet da auch drunter. Meine Freundin darf ich nicht sehen – Risikogruppe. Meine Family auch nicht. Darüber bin ich traurig. Mein Geburtstag kann ich nur in der Gruppe feiern nicht mit Freunden und Familie. Wir sitzen dann auseinander. Wir holen das nach und machen eine Sommerparty! Es ist schwierig, Freundschaft aufrecht zu erhalten. Ich wünsche mir nicht, dass die Freundschaft davon kaputtgeht. Vor der Krise war die Freundschaft dick – danach geht sie wieder von Null los. Ich habe auch Angst, die Leute, die Teilzeit haben wie ich, dass die nach Hause geschickt werden – ihr habt jetzt ausgedient, ihr könnt jetzt für immer zu Hause bleiben. Ich denke immer ein Stück voraus. Ich leide da drunter. 

Sascha Nowak,  37, Frechen


Die Welt, unsere Welt, hat sich verändert. Vorher für mich war sie glücklicher. 
Die Werkstatt hat zu komplett. Das ist viel zu gefährlich wegen Corona. Das wird noch länger andauern. Ich finde das scheiße - keine Arbeit, wenn man nichts zu tun hat. Ich hab meine Tiere. Ich kümmere mich um meine Vögel. Sonst mache ich nichts, nur Langeweile schieben. In der Werkstatt hätte man was zu tun gehabt. Ich würde lieber arbeiten gehen. Aber so ist das kein Leben mehr. Corona-Virus hat alles kaputt gemacht. Die Freunde kann man nicht sehen. Man darf nicht zu seiner Family fahren. Im Fernsehen kommt nichts mehr anderes nicht auf den Tisch. Nur Corona. Die Informationen von Corona, die behinderten Menschen verstehen das weniger. Ich gehöre zur Risikogruppe wegen meinem Herzen. Aber vor Corona habe ich keine so große Angst. Ich habe gehört, dass die Symptome angeblich milde Symptome bis zur Sterblichkeit gehen können, wie eine normale Grippe. 

Cedric Eichner, 31, Frechen

Das ist gut, dass ich zu Hause bleiben kann wegen dem Corona-Virus. Ich bleibe extra zu Hause, damit ich nicht krank werde. Seit der Corona-Virus da ist, habe ich das Wohnheim nicht verlassen das Wohnheim. Und das wird noch weiter gehen mit dem Virus. Aber ich weiß nicht wie lange noch. Wenn mir langweilig ist, dann spiele ich an meiner Playstation. Autorennen. Ich bin ein verdammt guter Fahrer. Ich brauche eine Millionen Punkte gegen die Nummer 1. Ich habe jetzt über 700.000 Punkte. Für den 2. Fahrer brauche ich genau 857.000 Punkte, damit ich den herausfordern kann. Dafür brauche ich nicht mehr lange, um den aus dem Weg zu räumen, damit ich an den 1. rankomme. Dann kann ich gegen die Nummer 1 antreten. Dann habe ich das Spiel durch. Ich spiele auch gerne GTA5. Da bin ich aber noch ganz am Anfang. Wenn ich das spiele, dann darf mich keiner stören. Da muss ich mich ganz gut konzentrieren, weil das saukompliziert ist. Von mir aus kann das noch etwas dauern mit dem Virus. 

Jessica Reinhard, 25, Frechen


Ich will den Virus weghaben. Dass ich wieder arbeiten gehen kann – alles wieder normal. Wir müssen früher aufstehen, auch ohne Arbeit, aber ich will nicht nur zu Hause sein. Gestern habe ich zum ersten Mal Fußball gespielt, Tore geschossen, weg mit dem Ball. Da habe ich heute Bock drauf.     
Ich höre Radio, spiele, bisschen entspannen. Musik höre ich die ganze Zeit, um mich abzulenken, so Beruhigungsmusik. Ich habe viel geweint in letzter Zeit, weil ich mir die ganze Zeit Sorgen mache wegen meiner Cousine, der Jenny. Die ist schon über 30. Ich hab auch niemanden zum Kuscheln kann nur mit Mami telefonieren. Der Virus soll weg sein. Dann möchte ich alle zu meiner Oma einladen und allen eine richtige Freude machen, eine Wiedersehensparty! Und wir sind alle glücklich, wie feiern, dass der Virus weg ist, dann können wir alle wieder zusammen sein und lustig und kuscheln. 

Yvonne Freiberg, 26, Frechen


Ich habe ein bisschen Angst vor Corona, aber nicht viel. Krank war ich schon, Fieber hatte ich, aber nicht durch den Virus gehabt. Ich habe mir Sorgen gemacht durch die Arbeit, die ist geschlossen. In Wirklichkeit ist das schlimm. Sehr lang. Mein Freund kann ich die ganze Zeit nicht sehen. Er wohnt in Kerpen. Sonst sehen wir uns auf der Arbeit. Das ist jetzt nicht so prickelnd. Wir telefonieren oder schreiben jeden Morgen, Mittag, Abend und nachts. Küssen machen wir nur am Telefon. Ich fange jeden Abend an zu heulen, weil wir uns nicht sehen. Meine Eltern sehen ich auch nicht. Im Wohnheim ist die Stimmung nicht gut. Alle haben Hackfressen wegen dem Virus. Das Gesicht geht runter. In der Gruppe können wir uns sehen. Aber raus – nein. Meine Freundin ist in einer anderen Gruppe. Ich spiele am Laptop oder Fernsehen gucken. Gerade habe ich Loom-Bänder gebastelt. 
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